Gastkommentar: Hoch soll er leben - zum Geburtstag des Heidelberger Theateroligarchen

9.6.2016 Gerd Guntermann - Wahrscheinlich war das "Rich Bitch" auf der Oberteil-Rückseite einer der aus Osteuropa bestellten ultraschlanken Hostessen nicht Teil der offiziellen Inszenierung des Geburtstags von Wolfgang Marguerre, aber nichtsdestoweniger symptomatisch für die 4-tägige neofeudalistische Feier des Heidelberger Sponsoren.

Dass ihm das Geprotze im Theater, auf dem Platz davor, in der Stadthalle und im Schloßpark nicht peinlich erschien, spricht für sich. Dankenswerterweise sind andere Sponsoren und Mäzene aus der Region weitaus zurückhaltender bei ihren Geburtstagsfeiern, was nicht nur daran liegen mag, dass sie mit ihren Millionen weit abgeschlagen hinter unserem Theateroligarchen liegen.

Stutzig machte die Errichtung von gewaltigen Pavillons, die nicht nur die Relationen des Schlossparks sprengten - einem Landschaftsschutzgebiet, das zudem der Heidelberger Gesamtanlagenschutzsatzung unterliegt, sondern auch, dass Eingriffe wie der über 6 Wochen gehende Auf- und Abbau während der Vegetationsperiode und der Laichzeit geschützter Amphibien möglich sind: das Heidelberger Umweltamt war offensichtlich nicht, wie eigentlich nötig, vorab einbezogen worden. Erst auf Hinweis eines Spaziergängers konnte es die Errichtung eines Amphibienschutzzaunes bewirken - nachdem die vorübergehende Bebauung der Schloßparkwiese weit vorangeschritten war mit der zwangsläufigen Folge, dass etliche Salamander, Bergmolche und Erdkröten unter den Materialmassen und Schwerlastern geplättet wurden. Der Geburtstag dieses Bürgers hat offensichtlich mehr Gewicht als Schäden am Artenspektrum, die nicht mit Geld aufzuwiegen sind. Weitere Schäden sind an den parkprägenden Bäumen dieses Bereichs zu erwarten: durch die gewaltigen Auflasten wurde der Boden massiv komprimiert und hat sich - trotz angeblicher Schutzmatten - abgesenkt mit der Gefährdung der lebenswichtigen Feinwurzeln - nicht kompensierbar mittels Bezahlung eines neuen Rasens durch Herrn Marguerre (oder - steuerlich absetzbar - seiner Firma?).

Dieser Präzedenzfall - und wenn es keiner war, dann war es privilegierte Behandlung eines Bürgers - läßt für die Zukunft zunehmende Nutzungen für private und kommerzielle Zwecke befürchten, die das Schloss zu einer Event-Kulisse degradieren. Wenn Menschen, deren Reichtum jedes vernünftige Maß sprengt, nach Durchschnittsverdiener-Kriterien besteuert würden, bräuchte es weder für Heidelberger noch für andere Einrichtungen Spender, die sich mit einem (steuerlich absetzbaren?) Griff in ihre Portokasse Einfluss und Anerkennung erwerben. Dass 2014 ausgerechnet im Marguerre-Saal Brechts "heilige Johanna der Schlachthöfe" aufgeführt wurde, läßt tief in die Widersprüche dieser Stadt blicken.

Gerd Guntermann,
Bezirksbeirat Altstadt (GAL)

09.06.2016 - 23:45