AK Naturschutz des NABU/Bonhoeffer-Gemeinde/Stadtteilverein Kirchheim: Flächenfasten - Offener Brief an die Stadträtinnen und -räte

Sehr geehrte Damen und Herren Stadträte, der Gemeinderat will ungeachtet der gegenwärtig kritischen Situation für die Stadtgesellschaft am 26.3. über den Masterplan zur Entwicklung von PHV sowie über die Zukunft des Ankunftszentrums entscheiden. Die Bonhoeffer-Gemeinde hatte gemeinsam mit dem NABU und verschiedenen Organisationen der Stadtgesellschafft eine Veranstaltung zum Flächenfasten geplant, die wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden musste. Die Essenz der Beiträge haben wir in einem Video für Sie zusammengefasst.

Letztendlich entscheidet der Gemeinderat und Sie persönlich. Ich möchte Sie bitten, folgende Aspekte zu berücksichtigen, wenn es zur Abstimmung kommt:

In den 37 Jahren bis 2018 wurden in Heidelberg durchschnittlich 9,35 ha/a landwirtschaftliche und natürliche Flächen „verbraucht“ (Statistisches Jahrbuch der Stadt Heidelberg). Gemäß dem 30 ha Ziel der Bundesregierung beträgt das Budget für Heidelberg heruntergerechnet max. 3,37 ha/a. Mit der geplanten Inanspruchnahme von 18 ha Landwirtschaftsfläche für die Westerweiterung der Konversionsfläche Patrick-Henry-Village (PHV=97 ha) und weitere 8 ha für den Neubau eines Ankunftszentrums wird erneut weit über unsere Verhältnisse geplant. Das dürfen wir nicht zulassen.

Täglich zerstören wir, zerstören Gesellschaft und Politik in Heidelberg mehr von unseren regionalen Lebensgrundlagen. Auch das Leben in Heidelberg muss sich an einem neuen, ökologisch vertretbaren Maß ausrichten. Zum tägliche Umweltwahnsinn, wie beispielsweise die ungebremste Flächeninanspruchnahme bzw. der Vorrang von Neubauten gibt es zum Glück lebensfreundliche Alternativen. Ansonsten bräuchten wir über eine Zukunft nicht mehr nachzudenken.

Bitte nochmal innehalten, bevor über PHV und das Ankunftszentrum abgestimmt wird.

Der Bestand im PHV ist im Masterplan viel zu wenig geachtet. Wer nachhaltig denkt, die Erderhitzung und den Biodiversitätsverlust nicht weiter anheizen will, weiß doch, dass Bauen vermehrt ohne Neubau auskommen muss. Diese Maßgabe liegt dem Plan aber zum größten Teil nicht zugrunde. Nur ein kleiner Teil soll erhalten werden. Die „graue Energie“ durch die Abrisse kommt im Szenario der Stoffströme (PHVision, S.94) gar nicht vor. Eindeutig ist aber aus den Berechnungen in PHVision erkennbar, dass selbst der Holzbau die zweifache und der geplante Massivbau sogar die achtfache Menge an grauer Energie gegenüber der Bestandssanierung verbrauchen wird! Diese graue Energie, die vom Material über den Transport bis zur Konstruktion in Bestandsgebäuden steckt, und auch für neue Gebäude verbraucht werden muss, ist ein wichtiger Maßstab zur energetischen Bewertung im Planungsprozess. Diese Berechnungen einer vollständigen CO² Bilanz fehlen bisher schon in den Neubauprojekten der GGH. Bei PHV sind sie immer noch unvollständig.

Das Übermaß an technischer Aufrüstung zu „intelligenten Gebäuden“ und oftmals ökologisch fragwürdiger Dämmmaterialien – zum größten Teil Sondermüll! - führen nicht zu langlebigen und energetisch nachhaltigen Bauten. Das ist alles andere als „innovativ“. Die Ankündigung einer autoarmen Stadt ist bei PHV zudem noch sehr viel unglaubwürdiger als sie es schon bei der Planung der Bahnstadt war. „PHV soll besser werden als die Bahnstadt“, heißt es von Seiten einiger Planer und der Stadtverwaltung. Aber das Falsche zu perfektionieren ist am Ende perfekt falsch. Das Einfache, die Sanierung im Bestand, ist letztlich weit überlegen, auch im Hinblick auf die angestrebte Einwohnerzahl. Genau diese Bestandssanierung verdient mehr Beachtung.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit und eine gute Woche wünscht,

Cornelia Wiethaler
NABU Heidelberg – Sprecherin
Stadtnatur und Umweltpolitik

0174-3058688

21.03.2020 - 23:30