Gastkommentar: Zeppelin-Zirkus

7.12.2017   Gerd Kaiser  
Jetzt kommt er doch noch - der erwartete Leserbrief eines der ewig Gestrigen, die ja Heidelberg als Idyll debiler Romantiker unter einer Käseglocke vor jeglicher Änderung bewahren wollen, während außen herum das Leben braust und die Jubelgesänge der fortschrittlichen und weltläufigen Eliten erschallen. Es geht um den Zeppelin-Zirkus im Pfaffengrund,

für dessen Vorstellung neulich nicht wenige Stadträte ihre Zeit opfern durften.

Abseits aller unterschiedlicher Ansichten über Sinn und Unsinn gewisser Entwicklungen sind hierbei zwei Dinge zu berücksichtigen: der Lärm von Flugmaschinen aller Art und die Ernsthaftigkeit von Stadtplanung und Stadtentwicklung, die in Heidelberg auf hohem Niveau betrieben werden - auch wenn nicht alle Ergebnisse alle Bürger befriedigen.

Zum Lärm: schon jetzt wird im Sommer - besonders an schönen Wochenenden - der Aufenthalt im Freien in den Gebieten rund um die Altstadt und das Schloss durch den Lärm zahlreicher Kleinflugzeuge beeinträchtigt, die zu touristischen Rundflügen eingesetzt werden. Deren Lärmteppich ist glücklicherweise jeweils relativ rasch vorbeigezogen, weil Flugzeuge wenigstens nicht langsam fliegen können. Aber wie würde es mit dem Motorenlärm eines langsam fliegenden oder gar über dem Schloss stehenden Luftschiffs sein? Er wäre immer viertelstundenlang zu hören. Sei er auch gut gedämmt, es wäre eine nervtötende Lärmbelästigung für die Bewohner der Heidelberg-Idylle.

Freie Flächen scheinen eine magische Anziehungskraft auf Investoren und wichtige Nutzer zu haben. Was sollte auf dem geplagten Feld südlich des Pfaffengrunds schon alles realisiert werden: ein Fußballstadion, ein Trainingspark für asiatische Sportler, eine alptraumhafte Erweiterung der amerikanischen Militärflächen. Die benachbarten Wild-Werke wollten schon über die Autobahn herüber­schwappen, bevor sie verkauft wurden, und ein Landmaschinenhersteller hat hier auch schon für seine Produkte Verkaufsdemonstrationen durchgeführt. Da ist die sogenannte ordnungsgemäße Landwirtschaft ja noch eine harmlose Angelegenheit.

Und jetzt ein Vergnügungspark á la Disneyland mit Luftschiff-Rummel, mit Effektkino, mit Veranstaltungshalle, Sensationenmuseum und optionalem Riesenrad! Fürwahr eine gelungene Überleitung von der traditionellen Siedlungsweise und Landnutzung im Pfaffengrund zu den neuen Ufern der zukunftsfähigen Stadtentwicklung im Patrick-Henry-Village, wo künftig innovative Stadtvisionen als Bildungslandschaft mit neuartiger Vernetzungsinfrastruktur zum Wohl von Wissenschaft und Wirtschaft unter lebhafter Berücksichtigung von Stoffkreisläufen, Selbstversorgung und ökologischen Prinzipien realisiert werden sollen - so die Überlegungen im Rahmen der IBA....

Vorsicht Investoren: Der Zeppelin-Zirkus ist gewiss ein Projekt, das geradezu nach Bürgerbeteiligung der Heidelberger Art schreit, das ob seiner Bedeutung für die städtische Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit begleitet sein muss von öffentlichen Informationsabenden, Bürgerkonferenzen, Meinungsforen, Workshops, Beteiligungsrunden, unterstützt von Moderationsprofis, Entscheidungsgremien, Stufenplänen, Entwicklungsphasen.

Oder kann da einfach einer kommen und sagen "Ich baue euch die Fläche zwischen Pfaffengrund und Pleikartsförster Hof zu, belästige euch mit Lärm und Autoverkehr und verdiene irres Geld damit!"?


S.a. Stadtredaktion: Pfaffengrunder Feld - Zentrum für Großveranstaltungen?

07.12.2017 - 19:30